Kurzgeschichte

Ein böser Weihnachtswunsch!

15.02.2015 - Cihan Köse

Wie beruhigt man eine Masse? Indem man ihr gibt, was sie braucht. Aber wie hält man eine Masse ruhig? Indem man ihr erzählt, was sie brauchen würde.

Ein Brief an den Weihnachtsmann:

Lieber Weihnachtsmann,

ich wünsche mir die Weltherrschaft und Sklaven. Das Problem sind die mutigen Menschen. Bei denen stoße ich immer wieder auf zähen Widerstand. Es ist immer die gleiche Sache, die mich hindert an die Macht zu kommen: Der Lebenswille der Menschen! Bitte, lieber Weihnachtsmann, sag mir doch wie ich das Problem mit dem Lebenswillen lösen kann.

Gezeichnet, der Machtgeile.


Die Antwort des Weihnachtsmanns:

Lieber Machtgeile,

Dein großer Wunsch ist schon ziemlich bizarr, aber was soll's. Als ich damals den Job als Weihnachtsmann angenommen habe, stand im Vertrag nichts davon, dass ich nur gute Wünsche erfüllen darf. Ich bin nur dazu verpflichtet guten und artigen Kindern die Wünsche zu erfüllen  und das warst du bis heute ja auch. Darum werde ich dir wohl helfen müssen, an die Weltherrschaft zu kommen. Nun gut, das Zauberwort hierfür lautet 'Definition'. Der Trick liegt schlicht und ergreifend darin den Menschen eine neue Definition für den Begriff 'Lebenswillen' zu geben.

Nun trenne das Wort einfach mal in der Mitte und schau dir die unschuldigen Wörter an. Wir erhalten einmal das Wort 'Leben' und einmal 'Wille'. Also beim Willen ist es ja so, dass du etwas willst. Diesen Teil des Begriffs solltest du nicht anrühren. Die clevere Veränderung nehmen wir am Wort 'Leben' vor. Lange Zeit haben die Menschen nach einem Sinn in ihrem Leben gesucht. Mal wurde das Leben als Prüfung für das Jenseits gesehen, dann wiederum war das Ziel zu Lebzeiten so oft es geht glücklich zu sein. Deine Aufgabe liegt nun darin, dass du es schaffen musst, dass die Menschen nicht mehr nach einen Sinn suchen, denn dann kannst du sie kontrollieren. Und wie schaffst du es, dass sie ihre Suche aufgeben? Indem du sie dauerhaft ablenkst. Denn erst dann, wenn man abgelenkt ist, fängt man an, nicht mehr zu hinterfragen, die Dinge hinzunehmen und sich nicht mehr aus dem Alltag zu befreien.

Der Plan ist ganz einfach: Die nächste Generation von Kindern sollte mit Handys aufwachsen. Lass' sie einfach mit den Dingern in der Hand aufstehen und wieder ins Bett gehen: Den einen Daumen auf dem Display und den andern im Mund. 24 Stunden am Tag wären sie mit dieser Ablenkungsmaschine beschäftigt und schauen weder nach links und rechts (was gut ist, dann sehen sie nämlich nicht mehr andere Menschen, mit denen sie gemeinsam dein zukünftiges System niederstürzen können). Bei den Erwachsenen ist es etwas komplizierter, aber umso genialer: Ihnen gibst du immer schlechtere Arbeits- und Lebensbedingungen. Einen Teil der Erwachsenen lassen wir zu Billiglöhnen arbeiten und zwingen sie dazu noch Wochenendjobs usw. anzunehmen. Dabei tust du so, als wärst du großzügig. Du gibst ihnen weiterhin einen Billiglohn, ich denke mal 8,49 € pro Stunde sollten da reichen. Sie werden dich lieben, weil du ihnen scheinbar entgegen kommst. Das Raffinierte ist, dass sie bei diesem Betrag weiterhin wie die Ackergäule malochenmüssen. Denn am Ende des Monats haben sie immer noch so wenig Geld für Familie und Freizeit über, dass sie sich einen Zweitjob holen müssen. So haben diese armen Seelen nie Zeit,  darüber nachzudenken, ob das, was sie Leben nennen, überhaupt Leben ist. Sie sind froh, dass sie bei einem abendlichen Bier und einen Film im Fernsehen abschalten können und dazu noch sehr gesunde Fertigprodukte auf dem Tisch hinstellen, um dann am nächsten Morgen den Arbeitskollegen zu erzählen: „Wir hatten gestern einen schönen Familienabend“.  Auf keinen Fall, also ich meine das jetzt wirklich ernst, auf gar keinen Fall darfst du ihnen einen Cent mehr pro Stunde mehr geben. Jeder weiß, dass ein wahres Leben bei 8,50 € pro Stunde anfängt, denn dann könnte man sich ja seine wirklichen Träume erfüllen und ein tolles Leben führen. Den gebildeten Menschen gibst du viel Geld, aber wenig Zeit. Sagen wir 50-60 Stunden pro Woche sollten sie schon am arbeiten sein. Außerdem müssen sie alle Laptops bekommen! Warum Laptops? Ganz einfach, weil alle Chefs dann noch nach Feierabend E-Mails verschicken werden, auf die natürlich der 'gute Mitarbeiter' jederzeit antworten soll. Oder noch besser: So richtig perfide wäre es, wenn man Mails direkt aufs Handy bekommen würde. Oh man, ich stelle mir das vor, wie kein Erwachsener einen vernünftigen Gedanken mehr zu Ende denken würde, weil er alle 10 Minuten aufs Handy guckt. Oh man, wie toll ist das bitte: Karriere um jeden Preis. Hihihi.

Mit diesen Tricks hast du dann handysüchtige Kinder und vollzeitausgelastete Erwachsene. Und ohne Suche nach dem Sinn des Lebens, werden sie nur noch nach dem  Motto: „Hauptsache gesund“ vor sich hin vegetieren.

Grüße vom Weihnachtsmann.


P.S.: Ich würde gerne weiterschreiben, aber mich fragt grade so ein Typ aus Washington, wie ich seine Bevölkerung glauben lassen kann, dass sie in einer Demokratie leben.

 

 

 

 

 

Foto: © Gerard Stolk

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