Politik

DIE PARTEI macht mir Angst

15.04.2015 - Deniz Y. Dix

Ich bin ein schlechter Mensch, ich tue schlimme Dinge und werde meine gelebte Misanthropie auch in Zukunft nicht ablegen. Doch zu meiner Rechtfertigung sei gesagt: Ich habe nie gewollt, dass es so weit kommt. Und jetzt, da ich bis zum Hals im Treibsand stecke, gibt es ohnehin keinen Ausweg mehr für mich; aus dem schwarzen Loch der PARTEI gibt es kein Entrinnen.

Dabei wog ich mich anfangs in so trügerischer Sicherheit, dass ich es nie in Erwägung zog, lachend in meinen Untergang zu rennen, und dabei zahlreiche Unschuldige mit ins Verderben zu reißen. Ich war jung, dank meines Immatrikulationshintergrunds eher schlecht integriert und sowieso mit allem unzufrieden. Genau das Beuteschema der Bauernfänger, die von der PARTEI ins Feld geschickt werden, um all den Abschaum der Gesellschaft, all die enttäuschten Idealisten, die mit durchgezogener Knarre auf die Revolution (egal welcher Art) warteten und regelrecht darum bettelten, für ein bisschen Anerkennung radikalisiert zu werden, einzusammeln und gefügig zu machen. Unter den fadenscheinigsten Vorwänden.


Für meinen Teil bin ich zu jener Zeit sogar so kaputt gewesen, dass ich mich prinzipiell nicht gewillt dünkte, einer Organisation beizutreten, die ihrerseits bereit wäre, Menschen wie mich aufzunehmen. Und genau das war der Ansatzpunkt, denn mit diesen Startvoraussetzungen war ich hier in einzigartig bester Gesellschaft. Und das war das Tolle an dieser „Gesellschaft“. Es ist vollkommen egal, nach welchen bizarren Weltbildern es einem gelüstet, aus welchen verkorksten Normen heraus man welche Minderheit (bei mir waren es Banker und Zauberkünstler) an die Wand stellen wollte. Von Entscheidung war nur, dass man bereit war, sich ihm zu ergeben. Ihm.


Aber wie kann es gelingen, alle Radikalen eines Landes zu vereinen, ohne, dass diese sich gegenseitig neutralisieren? Das Zauberwort nennt sich Satire. Der Witz ist das Volksopium des 21. Jahrhunderts. Denn wenn die Leute erst einmal von einem erwarten, dass man nichts ernst meint, kann man endlos reden und reden, ohne jemals Stellung zu beziehen, sodass man sich aalglatt an jedes Publikum anschmiegen kann, frei vom Risiko, jemanden mit einer Aussage vor den Kopf zu stoßen. Und jeder kann in diesen Wust aus polemischem Wortgestrüpp die gewünschte Meinung hineininterpretieren und sich im Irrglauben sonnen, wie toll es ist, dass man endlich eine Gemeinschaft gefunden hat, die einen versteht.


Heute erst ist es mir begreiflich, wie die Karten wirklich lagen. Ich fand keine Freunde, sondern dysfunktionale Karrieristen, die, so glaubte ich, meiner persönlichen Laufbahn nur im Wege standen. Ich wurde Landesvorsitzender und ansonsten auch mit Titeln überhäuft, um bei Laune gehalten zu werden und ihn nicht zu hinterfragen. Ich geriet in den Zustand der psychischen Anästhesie, mein Alkoholpegel hatte die 2-Promille-Marke seit mehreren Monaten nicht mehr unterschritten, und witzige Slogans und schmissige Internet-Bildchen vermittelten mir den Eindruck als sei das doch eine ganz lustige Sache. Als leiste ich aktiven Widerstand gegen was-auch-immer, indem ich mich volllaufen ließ und über Schenkelklopfer lachte, die überwiegend keinen Sinn ergaben und schon die letzten zwanzig Mal einen faden Beigeschmack entwickelt hatten und damit die Ratio in Schach hielten.


„Was wird die PARTEI machen, wenn sie mal eine Wahl gewinnt?“ – Gott, wie ich diese Frage hasste. Das Mantra, man dürfe niemals aus der Rolle fallen, wurde mir recht früh eingetrichtert, und so plapperte ich mein pseudosatirisches Gebet herunter, was entweder für Empörung oder für Gelächter sorgte; auf jeden Fall erstickte es weiteres Hinterfragen. Auch meinerseits, denn, ganz ehrlich, ich hatte selbst keine Ahnung. Wer glaubt, Satire sei nur der Trägerstoff einer ernstgemeinten Botschaft, der irrt. Auch ich habe das getan. Wenn man die Köpfe der PARTEI nimmt und ihren … nennen wir es mal „Humor“ subtrahiert, bleibt nichts übrig als eine kalte, tote Hülle und eine gierige Hand, die ihr schimmliges Fleisch nach der Welt ausstreckt.
Der letzte Führer, dem es gelang, offenbar widersprüchliche Denkströmungen auf einen Nenner zu vereinigen, hatte damit einen frappierenden Erfolg, auch wenn er heute eine eher durchwachsene Rezension im öffentlichen Diskurs genießt. Aber er. Er. Martin Sonneborn. Dieser Mann ist der vermutlich gefährlichste Organismus, den das Universum je hervorzubringen im Stande war. Er ist alles und er ist niemand. Jeder Mensch ist unzufrieden, jeder leidet unter diesem und jenem Missstand, real oder nur eingebildet. Der Antichrist des mittelmäßigen Humors kann das riechen und den wunden Punkt wittern, an dem er angreifen muss, um seine falschen Versprechen zu sähen und wie ein Parasit den Verstand zu annektieren. Und er kann dabei keinen Fehler begehen. Es ist nicht möglich, ihn an seinem langen Schatten festzunageln, denn alles, was er tut und sagt, ist „witzig“. Er ist der einzige Mensch der Welt, der öffentlich zur Erschießung von Menschen aufrufen kann, ohne dafür auch nur einen Hieb auf den Hintern zu bekommen. Sein Wort ist Leben und Tod* für immer mehr Menschen, auch für mich. Er hat mich in der Hand, und ich kann mich nicht wehren, ohne ein hämisches Lächeln heraufzubeschwören, denn alle denken, ich wolle damit nur weitere substanzlose Satire verkaufen.
Fakt ist, die Menschen, die sich um den Führer der kurzweiligen Heiterkeit scharen, sind dieselben, die sich für jede Ideologie begeistern lassen. Aber es sind mehr. Viel mehr. Und die Heere wachsen. Riesige Armeen aus herangezüchteten Humorsklaven, die gewillt sind, jede moralische und juristische Grenze zu übertreten. Wenn man den Ring erst einmal angelegt hat, wird man unsichtbar. Man kann tun und lassen, was man will und sich auf entkontextualisierte Kalendersprüche wie „Satire darf alles“ berufen, während man das Gefüge der Menschheit von oben und unten zugleich marodiert. Aber der Ring lügt und dient nur seinem Herren.


Ich habe Angst. Ich will kein Teil mehr davon sein. Der allmächtige Seelenhändler hat mich aber im Würgegriff, also welche andere Wahl bleibt mir? Ich bin Politikwissenschaftler und angehender Politiklehrer. Viel zu spät leuchtete mir ein, dass mich das zu einem bedeutungslosen Zahnrad machte, das die Satire in Fachzeitschriften lobpreist und unschuldige Kinder in das gewünschte Denkformat presst. Ein selbsterhaltendes System, das in seiner Summe zu einem charakter- und gesichtslosen Abstraktum verschmilzt, das den Namen Martin Sonneborn trägt und das der Welt seinen PARTEI-Stempel aufdrückt und eine Eigennatur beansprucht, die alles fordern kann, ohne etwas liefern zu müssen – die sich selbstbezweckende Natur der Satire.


Ich riskiere mit diesen Zeilen mein Leben, aber ich bitte Sie: Fallen Sie nicht auf unsere – auf meine Lügen herein. Wir verstehen Ihre intimen Ängste nicht, wir wollen sie auch nicht heilen. Wir interessieren uns noch nicht einmal für Sie. Wir schweben im luftleeren Raum, wir ersticken, während er immer reicher wird – und immer mächtiger.

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