"Bleibt das Perpetuum mobile eine Utopie?"
01.02.2018 -Das Perpetuum mobile ist ein alter Menschheitstraum. Es ist eine „sich ewig bewegende“ Maschine, die unsere Autos antreibt, unsere Handys lädt, unsere Kühlschränke kalt und unsere Wohnzimmer warm hält, ganz ohne Treibstoff, ohne Abgase und vor allem – und vielleicht ist das das Beste – ganz ohne, dass am Ende des Monats eine Rechnung kommt.
Die ältesten Entwürfe solcher Maschinen sind über 1000 Jahre alt. Und über all die Jahrhunderte bis in die Gegenwart sind die Erfinder nie müde geworden, neue Konstruktionen zu präsentieren, die dem Menschen ein für alle Mal jegliche Arbeit abnehmen sollten. Das genaue Funktionsprinzip variiert dabei von Erfinder zu Erfinder und wirkt auf den ersten Blick mitunter überraschend überzeugend. Während in der Vergangenheit meist mechanische Lösungen mit drehenden Rädern und sich verlagernden Gewichten dominierten, versuchen heutige Entwickler unter an anderen bisher unbewiesenen „Raum- und Nullpunktsenergien“ anzuzapfen. Das einzige, das alle diese Versuche der letzten Jahrhunderte vereint, ist ihre Erfolglosigkeit: Noch nie ist ein funktionierendes Perpetuum mobile vorgeführt worden.
Leider verstoßen nämlich alle Perpetuum mobiles gegen fundamentale Grundsätze der Physik. Bevor wir nun aber kapitulieren und das Perpetuum mobile als Utopie abhaken, sollten wir erstmal klären, welche Gesetze da verletzt werden. Und wie lautet denn eigentlich die genaue Definition eines Perpetuum mobile? Die Physik unterscheidet zwischen drei Arten dieser Wundermaschinen:
Der bekannteste Typ ist das „Perpetuum mobile der ersten Art“: Eine Maschine, die Energie aus dem nichts erschafft. Eine Maschine, die in der Lage ist, Steine zu heben, Autos zu beschleunigen oder ganz allgemein Arbeit zu verrichten, ohne dass ihr dafür Energie zugeführt wird. Sehr offensichtlich verstößt eine solche Maschine gegen das bekannte Prinzip der Energieerhaltung. Also gegen die Aussage, dass Energie zwar in verschiedenen Formen auftreten und dazwischen gewandelt werden kann, dass sie aber insgesamt niemals mehr oder weniger werden kann. Dass es also unmöglich ist, Energie zu vernichten oder zu erzeugen. Wer heute immer noch versucht solche Maschinen zu entwickeln und Anhänger für seine Idee zu finden, muss schon sehr engstirnig sein.
Etwas komplizierter wird es mit dem „Perpetuum mobile der zweiten Art“: Das wäre z.B. ein Auto, dass die Umgebungsluft abkühlt, ihr also Energie entzieht, und diese nutzt, um sich selbst anzutreiben. Hier wird keine Energie erzeugt, da die benötigte Antriebsenergie der Umgebung entnommen wird. Das Gesetz der Energieerhaltung wird somit nicht verletzt. Dafür aber der etwas schwieriger zu verstehende zweite Hauptsatz der Thermodynamik, der die Entropie einführt, und aus dem sich ableiten lässt, dass nicht alle Energie nutzbar ist, um Arbeit zu verrichten. Insbesondere Wärme, die der Umgebung entzogen wird, lässt sich leider gar nicht nutzen, um Arbeit zu verrichten oder ein Auto anzutreiben.
Tja, dann bleiben noch das „Perpetuum mobile der dritten Art“, das erfreulicherweise gegen kein physikalisches Gesetz verstößt. Es ist ein System, das in der Tat ewig läuft, dabei aber nicht mit seiner Umgebung interagiert. Das kann z.B. die große Bewegung von Planeten um ein Zentralgestirn sein oder ein winziger elektrischer Kreisstrom in einem Supraleiter, der sich in einem Magnetfeld befindet. Leider bedeutet die beschriebene Nicht-Interaktion mit der Umgebung, dass es völlig nutzlos ist. Es läuft zwar ewig, ist somit ein sich ewig bewegendes Perpetuum mobile, verrichtet aber keine Arbeit und nimmt uns somit auch keine ab.
Was für eine Enttäuschung! Zwei von drei Perpetuum mobile verstoßen gegen zentrale physikalische Gesetze. Das dritte ist völlig nutzlos. Womit wir zu der in der Überschrift formulierten Eingangsfrage kommen: Bleibt das Perpetuum mobile eine Utopie? Warum noch einen Gedanken an etwas verschwenden, was es nicht geben kann?
Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst klar machen, wie physikalische Gesetze entstehen. Forscher beobachten zunächst die Natur, bis sie eine Gesetzmäßigkeit zu erkennen glauben. Dann machen sie Experimente, um ihre Vermutung vielfach zu testen. Bestätigen alle Versuche ihre Vermutung, formulieren sie ein Gesetz und veröffentlichen es. Und solange niemand das Gesetz widerlegt gilt es. Das trifft auch auf die Energieerhaltung und den zweiten Hauptsatz zu. Obwohl sie schon lange gelten und trotz sehr vieler Versuche nie widerlegt wurden, kann niemand ausschließen, dass sie in der Zukunft nicht doch widerlegt werden. Das wiederum würde auch den Bau von Perpetuum mobile erlauben.
Auch in der Vergangenheit wurde die Menschheit schließlich oft von denjenigen weitergebracht, die an Sachen geforscht haben, die alle anderen für Unsinn hielten. Auf der anderen Seite dürfen wir an dieser Stelle aber auch nicht vergessen, dass es sich meistens eben doch um Unsinn handelt, wenn es (fast) alle für Unsinn halten. Ich glaube daher nicht, dass die genannten Gesetzmäßigkeiten widerlegt werden. Aber ausgeschlossen? Nein - ausgeschlossen ist es nicht. Aber es ist z.B. auch nicht ausgeschlossen, dass die Witwe eines Nigerianischen Prinzen Ihnen per Email 10 Millionen Euro anbietet. Es ist halt nur äußerst unwahrscheinlich.
Nun muss jeder selbst abwägen, wie er seine begrenzte Zeit auf Erden investieren möchte. Ich antworte den regelmäßigen Angeboten der millionenschweren Witwen verflossener Potentaten nie; auch auf das Risiko hin, dass eine der Damen real ist und mir ein Vermögen entgeht. Ich mache das, weil es mir zu unwahrscheinlich erscheint und ich meine Ressourcen in anderen Aktivitäten besser verwendet sehe.
Und genauso scheint mir die Chance, dass unsere Physik falsch und ein Perpetuum mobile möglich ist, einfach zu gering, um da hinein Forschungsarbeit zu investieren. Lieber sollten wir an Energietransport, Energiespeicherung und noch effizienteren Wind- und Solaranlagen arbeiten. Immerhin gibt es die Energie der Sonne auch umsonst, ohne Abgase und aus menschlicher Sicht auch auf unendliche Zeit. Ist das nicht ein Traum?
Martin Buchholz: Energie – Wie verschwendet man etwas, das nicht weniger werden kann, Springer Verlag, 2016, 249 Seiten, 19,99€
Vom Autor gibt es einige zum Thema passende Vorträge:
Energie – Ein Missverständnis
Entropie – 2. Hauptsatz der Thermodynamik
Der Traum vom Perpetuum moblie
Foto: Portolanero / Wikimedia Commons / CC BY 3.0